Die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) in Gießen hat eine innovative Methode entwickelt, um Energie aus dem Abwasser von Tausenden von Haushalten zu gewinnen. Durch diese Technologie können zehn große Hochschulgebäude beheizt werden. Dieses Verfahren, das Abwasser als Energiequelle nutzt, hat in Skandinavien bereits große Erfolge erzielt, ist in Deutschland jedoch noch nicht weit verbreitet.

Abwasser bleibt das ganze Jahr über verhältnismäßig warm und wird in der aktuellen Energiewende oft als ungenutztes Potenzial betrachtet. Selbst in den Wintermonaten liegen die Temperaturen zwischen 9 und 12 Grad, während sie im Sommer bis zu 20 Grad erreichen können.

Die Hochschule hat mit Genehmigung eines lokalen Wasserbetriebs einen großen Abwasserkanal angezapft, der am Campusgelände verläuft. In diesem Kanal sammelt sich Abwasser aus verschiedenen Haushalten einer Stadt und sogar aus einer benachbarten Stadt. Es handelt sich dabei um warmes Wasser aus Duschen und Waschmaschinen sowie Abwasser aus sanitären Einrichtungen und Regenrinnen. Zunächst wird das Wasser grob gefiltert und anschließend durch dicke Leitungen in eine umfangreiche Edelstahlanlage geleitet, die drei Kellerräume des Campus einnimmt. Durch den Einsatz von Wärmetauschern wird dem Abwasser Wärme entzogen, wodurch seine Temperatur um einige Grad sinkt.

Mithilfe von Wärmepumpen wird ein Temperaturniveau erreicht, das ausreicht, um mehrere Gebäude des Campus zu beheizen. In den wärmeren Monaten kann die Technologie sogar zum Kühlen von Laboren verwendet werden.

Experten schätzen, dass bis zu 10% der in Deutschland benötigten Heizenergie aus Abwasser gewonnen werden könnte. Während die Technologie in Skandinavien bereits als zentraler Bestandteil einer erfolgreichen Energiewende gilt, ist sie in Deutschland kaum bekannt. Die THM hat jedoch einen großen Schritt in diese Richtung gemacht, indem sie die Technologie in einem älteren Gebäudekomplex integriert hat, der bisher als besonders energieineffizient galt.

Die Anlage der THM kann so viel Wärme liefern, wie 200 Haushalte benötigen. Dies wird in den kommenden Jahren dazu beitragen, den CO2-Ausstoß um etwa 300 Tonnen pro Jahr zu reduzieren. Die Investition von einer Million Euro für den Einbau der Anlage wird sich voraussichtlich in wenigen Jahren amortisieren, insbesondere angesichts der steigenden Energiepreise.

Die THM sieht auch Bildungspotenzial in der Anlage. Sie planen, sie für Forschung und Lehre zu nutzen, um zukünftige Bau- und Energieexperten auszubilden. Dies wird dazu beitragen, Vorbehalte gegenüber der Technologie abzubauen und mehr Fachleute in diesem Bereich auszubilden.