
In Millionen deutscher Wohnungen werden derzeit alte Gas-Etagenheizungen durch zentrale Wärmepumpenanlagen ersetzt. Laut dem ITG-Institut für Technische Gebäudeausrüstung betrifft das allein rund 4,9 Millionen Wohnungen, davon bis zu 90 Prozent raumluftabhängig betriebene Anlagen. Diese Systeme haben bisher – oft unbemerkt – eine entscheidende lüftungstechnische Funktion übernommen.
Die Wärmewende verändert nicht nur Heizsysteme – sie verändert ganze Gebäude. Wird eine alte Gas-Etagenheizung durch eine moderne, zentrale Wärmepumpenanlage ersetzt, verändert sich auch das Raumklima. Denn mit dem Wegfall der Verbrennungsluftversorgung verschwindet zugleich ein wichtiger Bestandteil des natürlichen Luftaustauschs. Was früher unbemerkt über kleine Undichtigkeiten funktionierte, muss heute technisch geplant werden.
Wenn die Etagenheizung verschwindet – droht ein unsichtbares Lüftungsdefizit
Raumluftabhängige Gasetagenheizungen zogen ihre Verbrennungsluft direkt aus der Raumluft. Diese kontinuierliche Nachströmung sorgte – in Kombination mit der damals eher undichten Gebäudehülle – für einen gewissen Grundluftwechsel. Untersuchungen, etwa vom Bremer Energie-Institut, zeigten: Wohnungen mit Gasetagenheizung hatten ein geringeres Risiko für Feuchte- und Schimmelschäden. Der Luftaustausch erfolgte quasi automatisch, auch ohne ständiges Fensterlüften.
Heute werden im Zuge von Sanierungen meist neue Fenster eingesetzt, die Gebäudehülle wird isoliert, und die alte Etagenheizung verschwindet. Damit fällt der bisherige Luftwechsel abrupt weg. Das Ergebnis: In vielen Wohnungen entsteht ein sanierungsbedingtes Lüftungsdefizit.
Während im unsanierten Bestand Luftwechselraten zwischen 0,14 und 0,33 h⁻¹ üblich waren, reduziert sich dieser Wert nach Heizungstausch und Fenstersanierung auf nur 0,04 bis 0,13 h⁻¹. Das entspricht einem Rückgang um bis zu 70 Prozent des Luftwechsels – weit unter dem Mindestwert, den die DIN 1946-6 zum Feuchteschutz fordert (ca. 0,3 h⁻¹).
Die Folgen sind gravierend: Schon wenige Wochen nach dem Umbau kann sich in Raumecken, hinter Möbeln oder an Fensterlaibungen Kondenswasser und Schimmel bilden. Auch die Raumluftqualität leidet, weil CO₂, Feuchtigkeit und VOCs (flüchtige organische Verbindungen) nicht ausreichend abgeführt werden. In dicht sanierten Mehrfamilienhäusern ohne Lüftungskonzept steigt das Risiko für Feuchte- und Schimmelschäden laut ITG-Studie um das Zehnfache. Zudem verschärft sich das Problem, wenn Bewohner aus Energiespargründen seltener lüften – ein Verhalten, das in der Praxis häufig beobachtet wird.
Pflicht zur Lüftungskonzeption
Nach der Norm DIN 1946-6 muss bei jeder lüftungstechnisch relevanten Änderung – etwa dem Wegfall einer raumluftabhängigen Feuerstätte – ein Lüftungskonzept erstellt werden. Ziel ist, den nötigen Mindestluftwechsel zum Feuchteschutz sicherzustellen. Empfohlen wird eine ventilatorgestützte Lüftung, idealerweise mit Wärmerückgewinnung. Damit lassen sich Lüftungswärmeverluste reduzieren und gleichzeitig Energieeffizienz, Hygiene und Wohnkomfort deutlich steigern.
Das Lüftungskonzept dient der Berechnung des nutzerunabhängigen Mindestluftwechsels für den Feuchteschutz, die Hygiene und die Gesundheit der Bewohner. In der Praxis wird zunehmend empfohlen, den Luftaustausch mechanisch über Lüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung (WRG) zu sichern.
Solche Systeme können bis zu 90 Prozent der Abluftwärme zurückgewinnen, senken den Heizenergiebedarf und gewährleisten zugleich eine gleichbleibend gute Luftqualität.
Neue Chancen für Schornsteinfeger und Energieberater
Die Wärmewende verändert nicht nur den Gebäudebestand, sondern auch ganze Berufsbilder. Während klassische Feuerstätten, Ölheizungen oder Gasthermen zunehmend durch Wärmepumpen und Lüftungsanlagen ersetzt werden, schrumpfen die Einnahmen vieler Schornsteinfegerbetriebe aus dem Abgas- und Feuerstättenbereich.
Doch gleichzeitig entstehen neue Geschäftsfelder, die die Expertise und Erfahrung von Schornsteinfegern und Energieberatern benötigen:
Prüf- und Messdienstleistungen rund um Luftdichtheit
Die Kontrolle von Raumluftverbünden, Blower-Door-Tests oder die Bewertung von Unterdrucksituationen sind prädestiniert für Schornsteinfeger und Energieberater. Sie verfügen über bauphysikalisches Wissen, Erfahrung mit Druckmessungen und besitzen oft bereits die nötige Messtechnik.
Lüftungskonzepte und Bestandsanalysen
DIN 1946-6 schreibt Lüftungskonzepte bei Neubau und Sanierung vor – ein ideales Feld, um mit moderner Software zur Volumenstromberechnung, Feuchteanalyse und Gebäudeerfassung neue Dienstleistungen zu etablieren.
Sicherheit bei kombinierter Anlagentechnik
Im Zusammenspiel von Lüftung, Wärmepumpe und Feuerstätte wird künftig mehr Sachverstand gebraucht als je zuvor. Schornsteinfeger können hier als neutrale Prüfer agieren – etwa beim Nachweis der Unterdrucksicherheit oder der Installation von Differenzdruckwächtern.
Monitoring und Effizienzberatung
Über digitale Plattformen und Sensorik-Systeme lassen sich Luftdruck-, Feuchte- und Temperaturverläufe dokumentieren und analysieren – Grundlage für effiziente Raumluft- und Energieberatung.
Qualifikation und Digitalisierung als Schlüssel
Tools zur automatisierten Datenerfassung, mobile Messsysteme und cloudbasierte Energieauswertungen bieten die Möglichkeit, Dienstleistungen effizient zu skalieren. Betriebe, die sich digital aufstellen, kompensieren so wegbrechende Einnahmen – und leisten gleichzeitig aktiven Beitrag zur Energiewende.
Die Wohnungslüftung als Baustein der Wärmewende
Eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung erfüllt gleich mehrere Ziele: Sie schützt die Bausubstanz, sorgt für gesunde Luft, spart Energie und reduziert Schallbelastung. Damit ist sie nicht nur eine technische Ergänzung, sondern ein zentraler Baustein der klimaneutralen Gebäudesanierung.
Gerade im Zusammenspiel mit modernen Wärmepumpen wird die Lüftung zu einer Schlüsseltechnologie, um Effizienz und Behaglichkeit dauerhaft zu sichern.
Mit dem Austausch von Etagenheizungen verschwindet ein unsichtbarer, aber entscheidender Luftwechselmechanismus. Wer ihn nicht ersetzt, riskiert Schimmel und Bauschäden. Gleichzeitig eröffnet sich ein weites Betätigungsfeld für Energieberater und Schornsteinfeger – zwischen bauphysikalischem Know-how, digitaler Messtechnik und nachhaltiger Gebäudetechnik.